Kolumbien steht für Vielfalt, Biodiversität und guten Kaffee. Die geografische Lage mitten im sogenannten “Kaffeegürtel”, die einzigartige Biodiversität und der reichhaltige, fruchtbare Boden machen aus diesem Land ein natürliches Paradies mit den perfekten Bedingungen für den Anbau von qualitativ hochwertigem Kaffee. Ich, Maite Amrein, wurde in Kolumbien geboren und bin dort aufgewachsen als Tochter einer kolumbianischen Mutter und eines Schweizer Vaters. Ich bin Zeugin dieses Naturparadieses, das sich hinter den Bergen und Tälern dieses wunderbaren Landes verbirgt. Ich verbrachte meine Kindheit inmitten von Kaffeepflanzen und Obstbäumen, woraus meine ganze Welt viele Jahre lang bestand. Dadurch habe ich eine ganz besondere Verbindung zur Kaffeepflanze, zum Anbau und zur Zubereitung dieses wunderbaren Getränks. Eine Verbindung, die im Laufe der Jahre und trotz der Entfernung, immer stärker wurde.
Mit neunzehn Jahren kam ich in die Schweiz, absolvierte ein Studium und beschäftigte mich intensiv mit dem Thema Kaffee und der Frage wie man die Kaffeebauern besser unterstützen kann. 2019 rief ich das Projekt “Coffee instead of war” ins Leben. Dieses Projekt dient als eine gute Alternative zum lukrativen Kokaanbau und steht für eine anständige Entlöhnung der Bauern für ihren Qualitätskaffee.
So traf ich Kira Heer, Inhaberin der Rösterei Heer in Thun. Wir beide kamen ins Gespräch und merkten schnell, dass wir die gleiche Philosophie gegenüber Kaffee, fairen Bedingungen und Nachhaltigkeit haben. Nachdem Kira den Kaffee probiert hatte und er ihr ausserordentlich gut geschmeckt hatte, planten wir die Reise nach Kolumbien zu meinen Familien in Cauca und Nariño während der Kaffeeernte 2020. Es war alles vorbereitet: Flüge sowie die ganzen Aufenthalte. Meine Familie war hocherfreut die Rösterin persönlich kennen zu lernen, die später ihre Bohnen rösten und in ihrem Café ausschenken würde.
So ein Besuch kommt bei den Kaffeebauern sehr selten vor, besonders in Nariño. Für uns wäre es das erste Mal gewesen, dass jemand ausserhalb der Familie von so weit weg auf die Finca kommt, um die Schönheit der Landschaft und die harte Arbeit, die hinter den gelieferten Rohkaffeebohnen steckt, sich selbst ein Bild zu machen.
Mein Onkel Baudilio, einer der beiden Kaffeebauern, die wir besuchen wollten, hat uns folgendes gesagt: “Kaffee ist das, was uns Hoffnung gibt voranzukommen und es erfüllt mich mit grosser Freude, dass der Kaffee, den ich mit so viel Liebe und Sorgfalt produziere, nun in gute Hände kommt, an Menschen die ihn bewusst zu geniessen wissen.”
Samaniego liegt in der Provinz Túquerres in Nariño auf einer Höhe von 1’750 MüM und ist umgeben von hohen Andengipfeln im tiefen Süden Kolumbiens, nahe der Grenze zu Ecuador. Der wichtigste Wirtschaftszweig der grösstenteils steilen und gebirgigen Gemeinde Samaniego ist die Landwirtschaft, wobei hauptsächlich Zuckerrohr und Kaffee angebaut werden.
Die Nähe zum Äquator ermöglicht den Kaffeeanbau in sehr hohen Lagen. Die meisten Fincas befinden sich auf über 1’600 MüM. Die starken Temperaturschwankungen, zwischen Tag und Nacht in den Bergen, ermöglichen es den Kaffeefrüchten, ihren Zucker langsam zu entwickeln, was einerseits zu den fruchtigen Noten und zu einem natürlich tiefen Koffeinanteil führt. Die Ortschaft Samaniego und ihr Umland haben eine prägende Geschichte. Die Region liegt an einer hart umkämpften Route, auf der Koka, die Pflanze, aus der man auch Kokain gewinnt, transportiert wird. Es ist einer der wichtigsten Verkehrswege zwischen der kolumbianischen Küste und der nahegelegenen Grenze zu Ecuador und seit langem ein Ort der Gewalt und Konflikte. Aufgrund ihrer Nähe zur Kokainschmuggelroute und der hohe Präsenz von FARC-Rebellengruppen in der Region, galt die Ortschaft und das umliegende Kaffeeanbaugebiet bis vor kurzem noch als rote Zone. Besuche in die Region waren ohne direkten Familienbezug bis vor wenigen Jahren noch sehr unsicher und nur schwer zu organisieren. Trotz den anhaltenden Gewaltausbrüchen und den tiefen Weltmarktpreisen für Kaffee, die die lokalen Bauern das Leben erschweren, gehört der in Samaniego produzierte Kaffee zu denjenigen mit der höchsten Qualität in Nariño und in ganz Kolumbien.
Dieses Jahr, ganz unerwartet kam eine weitere Krise nach Samaniego. Es waren keine bewaffneten Auseinandersetzungen, die die Leute in Ihren Häusern gefangen hielt, es waren die strikten Quarantäne-Regelungen, die in Kolumbien seit Mitte März gelten. Aufgrund der sowohl von der schweizerischen als auch der kolumbianischen Regierung beschlossenen Einschränkungen, mussten wir unsere Reise nach Kolumbien absagen. Die familiäre Verbindung ermöglicht uns jedoch den Zugang zu Informationen über die Situation der Kaffeebauern, und deshalb haben wir beschlossen, mit der Veröffentlichung dieses Artikels, die Situation der Kaffeebauern im Süden Kolumbiens aufzuzeigen und somit einen kleinen Beitrag für die Bauern in der Region zu leisten.
Kira und ich können leider dieses Jahr die Plantagen in Kolumbien nicht besuchen, doch die Arbeit der Produzenten bleibt bestehen. Die Ökonomie von Samaniego hängt stark von dem Kaffee und Rohrzucker Anbau ab. Aufgrund der hochwertigen Kaffeequalität werden die meisten Kaffees aus Samaniego durch den direkten Markt nach Amerika gebracht. Specialty Coffee Röster und Händler kennen die Qualität und die Zuverlässigkeit von dem Rohkaffee aus dieser Region, so dass über 60% der über 250 Tonnen Kaffee, die dort produziert werden, schon seit mindestens 13 Monaten im Voraus reserviert worden sind. Dies mag interessant klingen, doch fair ist es nicht. Die Bauern Kaffeebauern werden erst ausbezahlt, wenn die Kaffees bereit zum verschiffen stehen (FOB). Sie müssen die Risiken, wenn ein Käufer ausfällt, auf sich nehmen.
haben somit keine Sicherheit oder Garantie auf eine Kaffeeabnahme.
Dieses System ist weder fair noch nachhaltig und die Konsequenzen zeigen sich gerade klarer als je zuvor. Wegen der Schliessung der Geschäfte in Amerika, sind bereits über 30% der direkten amerikanische Käufer von Cafe de Samaniego abgesprungen. Dadurch ist meine Familie gezwungen, den Kaffee, der nun nicht direkt an die Käufer verkauft werden kann, an der Börse zu Dumpingpreisen zu verkaufen.
Unser persönlicher Besuch findet dieses Jahr nicht statt, aber das hindert uns nicht an einer direkten Zusammenarbeit mit den Kaffeebauern aus Samaniego. Wir warten nun auf ihren wunderbaren Kaffee, der momentan auf dem Meer schippert und Ende September bei uns sein wird.
„Und den Besuch werden wir nächstes Jahr auf alle Fälle nachholen und ich freue mich jetzt schon Kira meine Familie in Kolumbien vorzustellen.“